
Swissgrid testet in einem Pilotprojekt eine innovative und nachhaltige Kabeltechnologie für das Höchstspannungsnetz. Was steckt hinter den sogenannten Druckluftkabeln – und was will Swissgrid damit herausfinden?
Offen für Innovation – mit Verantwortung
Als Betreiberin des Schweizer Höchstspannungsnetzes (220/380 kV) ist Swissgrid für eine sichere und zuverlässige Stromübertragung zuständig. Swissgrid verantwortet somit auch die Wahl einer verlässlichen und effizienten Übertragungstechnologie. Für den Einsatz im Höchstspannungsnetz sind erprobte Technologien mit mehrjähriger Betriebserfahrung essenziell. Swissgrid prüft laufend neue Technologien – immer mit dem Ziel, den Betrieb des Übertragungsnetzes sicherer und zuverlässiger zu machen und dabei Umweltaspekte zu berücksichtigen.
Eine dieser neuen Technologien ist das Druckluftkabel. Es gilt als vielversprechende Weiterentwicklung gasisolierter Leitungen – mit einem entscheidenden Unterschied: Statt des klimaschädlichen SF6-Gases kommt bei Druckluftkabeln komprimierte Luft als Isoliermedium zum Einsatz. Das macht sie umweltfreundlicher. Druckluftkabel bieten gegenüber herkömmlichen Erdkabeln zudem theoretische Vorteile:
- Geringere Übertragungsverluste, weniger Blindleistung
- Niedrigere elektromagnetische Felder
- Modularer Aufbau für den gezielten Austausch von Komponenten
Gleichzeitig sind Druckluftkabel eine noch junge Technologie, die im Höchstspannungsnetz noch keine Betriebserfahrung aufweisen und daher nicht erprobt sind. Auch Prozesse wie Bau, Instandhaltung und Reparaturen müssen in der Praxis noch geprüft werden.
Pilotprojekt für die Betriebserfahrung
Um dies zu ändern, startet Swissgrid gemeinsam mit der Firma Hivoduct AG ein mehrjähriges Pilotprojekt in Spreitenbach. Swissgrid ist seit Jahren im Austausch mit Hivoduct AG zur Thematik der Druckluftkabel. Bei diesem Pilotprojekt beteiligt sich mit Austrian Power Grid (APG) auch ein Übertragungsnetzbetreiber aus dem benachbarten Ausland.
Auf dem Gelände des Unterwerks Spreitenbach von Swissgrid wird eine rund 80 Meter lange Testanlage mit typischen Elementen von Druckluftkabeln installiert. Dabei kommen verschiedene Baumethoden für Erdkabel zum Einsatz – etwa im Microtunnel, im Tunnel oder im Leitungskanal. Ziel ist es, über einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren wichtige Betriebserfahrungen zu sammeln. Untersucht werden unter anderem:
- Verhalten im Langzeitbetrieb unter realen Betriebsbedingungen und unterschiedlichen Witterungseinflüssen
- Übertragungsleistung und Belastbarkeit mit verschiedenen Stromstärken
- Temperaturentwicklung und Druckluftverluste
- Blindleistungskompensation
- Elektromagnetische Felder
- Umweltauswirkungen
- Wartungsaufwand und Reparaturfähigkeit
Ein unabhängiges Prüfinstitut begleitet das Pilotprojekt für den Einsatz von Druckluftkabeln auf der 220-kV-Spannungsebene im Schweizer Höchstspannungsnetz. Am Ende des Pilotprojekts wird ein unabhängiger Expertenbericht erstellt. Erste Zwischenergebnisse werden voraussichtlich Mitte 2028 veröffentlicht.
Die Testanlage dient Swissgrid dazu, langjährige Erfahrungswerte für den sicheren und zuverlässigen Betrieb von Druckluftkabeln im Schweizer Höchstspannungsnetz zu gewinnen, bevor die Technologie im Schweizer Höchstspannungsnetz eingesetzt werden kann. Auch genauere Kostenschätzungen zu Druckluftkabeln werden erst nach dem Pilotprojekt in Spreitenbach möglich sein.
So funktioniert die Testanlage
Die Testanlage in Spreitenbach ist im Echtbetrieb mit 220 Kilovolt ins Höchstspannungsnetz integriert. Sie ist modular aufgebaut und erlaubt verschiedene Betriebsmodi – vom spannungslosen Zustand bis zum Betrieb mit hoher Strombelastung. Ein integriertes Überwachungssystem misst laufend Temperatur, Druck und andere Betriebsparameter. Im Fehlerfall in der Druckluftkabelanlage kann die betroffene Leitung rasch wieder in ihren ursprünglichen Zustand umgebaut und weiterbetrieben werden.
Fazit
Swissgrid bleibt offen für neue Technologien – doch die Versorgungssicherheit hat oberste Priorität. Druckluftkabel sind zwar nicht praxiserprobt, aber vielversprechend. Der Praxistest in Spreitenbach liefert wichtige Erkenntnisse, um die Technologie objektiv bewerten zu können. Denn nur mit fundierten Daten lassen sich langfristig Entscheidungen für die Energiezukunft der Schweiz treffen. Dafür steht Swissgrid auch im engen Austausch mit den europäischen Netzbetreibern und führt einen fachlichen Dialog mit den Behörden, Forschung und Industrie. So leistet Swissgrid einen aktiven Beitrag zur Weiterentwicklung von innovativen, zuverlässigen Lösungen im Energiesystem.
Was macht Druckluftkabel so besonders?
Die letzten Jahrzehnte gab es für die elektrische Energieübertragung nur graduelle Verbesserungen von Freileitungen oder Erdkabeln, obwohl die Anforderungen enorm gestiegen sind. Mit den Druckluftkabeln gibt es nun eine neue, nachhaltige Alternative dazu mit verbesserten Eigenschaften für Netzbetreiber und Anwohner. Druckluftkabel sind PFAS frei, reduzieren gleichzeitig Verluste und elektromagnetische Felder und können sehr kompakt unterirdisch verlegt werden. Druckluftkabel wurden in der Schweiz erfunden, werden lokal produziert und sind kostengünstiger als Erdkabel. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag, um Leitungsprojekte in vernünftiger Zeit effizient und umweltfreundlich zu bauen und zu betreiben.
Was erwarten Sie vom Pilotprojekt in Spreitenbach?
Das Pilotprojekt ist für uns ein entscheidender Praxistest. Die einzelnen Komponenten wurden bereits erfolgreich typgeprüft mit den genormten hohen Sicherheitsmargen – die Technologie ist also grundsätzlich betriebsbereit. In Spreitenbach werden wir nun unter realen Bedingungen und über längere Zeiträume zeigen, dass Druckluftkabel im Gesamtsystem ebenso zuverlässig funktionieren. Besonders wichtig sind dabei Erkenntnisse zu Betriebssicherheit, Wartungsaufwand, Kosten und die Referenz für andere Leitungsprojekte. Deshalb werden wir auch verschiedene Verlegearten verbauen. Diese Erfahrungen helfen uns, die Technologie für den grossflächigen Einsatz im Höchstspannungsnetz abzusichern und ihre Vorteile für die Energiewende anwendbar zu machen.
Wie sieht die Zukunft der Druckluftkabel aus?
Als junge Technologie stehen Druckluftkabel vor der Herausforderung, ihre Zuverlässigkeit im täglichen Netzbetrieb über eine sehr lange Betriebsdauer zu beweisen. Dazu gehört auch der Umgang mit Reparaturen oder Druckverlusten. Mit dem Pilotprojekt in Spreitenbach bauen wir genau diese Erfahrungswerte auf – zusammen mit Swissgrid und weiteren Netzbetreibern. Parallel investieren wir in Portfolioerweiterung, Kostenoptimierung und industrielle Fertigung, damit wir die Technologie für alle Spannungsebenen rasch skalieren können. Unsere Vision ist, dass Druckluftkabel sehr schnell der neue Standard für die elektrische Energieübertragung werden. Das geht nur, wenn sie breit eingesetzt werden und neben den technischen Vorteilen auch wirtschaftlich konkurrenzfähig sind.
Warum Erdkabel nur punktuell zum Einsatz kommen sollten
Der Neubau von Erdkabeln ist im Schweizer Übertragungsnetz nur noch in sehr beschränktem Ausmass möglich. Dies zeigt die Kabelstudie Schweiz, die Swissgrid erarbeitet hat. Grund dafür sind die physikalischen Eigenschaften von herkömmlichen Kabeltechnologien, die den stabilen Netzbetrieb und das Beheben von Störungen deutlich erschweren. Erdverlegte Höchstspannungsleitungen senken die Resonanzfrequenzen, dadurch steigt das Risiko von Schwingungsverstärkungen. Eine unkontrollierte Erhöhung des Erdkabelanteils im Höchstspannungsnetz hat negative Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit der Schweiz. Bei künftigen Netzprojekten soll deshalb aus einer gesamtheitlichen Perspektive abgewogen werden, ob ein Erdkabel gebaut werden kann.
Mehr zur Kabelstudie erfahren Sie in unserem Blogbeitrag: «Wenn die Physik der Technik Grenzen setzt»
Links
Blogbeitrag: «Technologien im Höchstspannungsnetz»
Blogbeitrag: «Wenn die Physik der Technik Grenzen setzt»