Es sei ein Tal zum Verlieben, schreibt Engadin Tourismus über die Region um den Fluss Inn im Kanton Graubünden. Wer das Hochtal kennt, nickt zustimmend. Zwischen wilden Gipfeln finden sich tiefblaue Seen, wohlduftende Föhrenwälder und romantische Bergdörfer mit klangvollen Namen. Und mittendrin, zwischen Pradella und La Punt, eine Höchstspannungsleitung von Swissgrid. Was sich nach einem Fremdkörper im Unterengadin anhört, beeinträchtigt die Landschaft nur bei genauem Hinsehen, denn die Leitung führt gut versteckt vor allem durch Wälder. Auf den zweiten Blick fällt auf, dass die Masten zwischen Zernez bis La Punt nur auf einer Seite Leiterseile tragen. Das sieht ungewohnt aus, aber als die Leitung im letzten Jahrhundert gebaut wurde, reichte das für den damaligen Bedarf an Transportkapazität aus. Heute und in Zukunft ist dieser Bedarf grösser. Der Ausbau der bestehenden Leitung Pradella – La Punt ist Teil des Strategischen Netz 2025 von Swissgrid. Um die Versorgungssicherheit des Kantons Graubünden und den Abtransport der Engadiner Wasserkraft zu gewährleisten, ergänzt Swissgrid die Leitung nun um weiteres «System». Die Masten tragen dann auf beiden Seiten je eine 380-Kilovolt-Leitung mit je 3 Leiterseilen.

Wenn man die Leitung schon umbaut, dann hätte man sie unter den Boden legen können, mögen viele denken. Diese Variante wurde von Swissgrid sorgfältig geprüft, mit dem Ergebnis, dass die Landschaft dadurch nur teilweise entlastet würde und die Kosten unverhältnismässig hoch sind. Als Ersatzmassnahme für den Ausbau wurde eine Leitung mit niedrigerer Spannung (110 Kilovolt) zwischen Pradella und Bever unter die Erde verlegt und Ende 2019 in Betrieb genommen. Damit fiel der Startschuss für den Rückbau von 1100 Freileitungsmasten. Dies entlastete nicht nur die malerische Landschaft, sondern ermöglichte auch den Anschluss verschiedener Gemeinden ans Breitbandinternet, da gleichzeitig ein Glasfasernetz in den Boden eingezogen wurde.

1/2: Die 60-kV-Freileitung zwischen Pradella und Bever wird durch eine 110-kV-Erdkverkabelung ersetzt und so 1100 Masten rückgebaut.
2/2: Die Leitung ist bis anhin nur auf einer Seite mit Leiterseilen belegt. Die zweite Seite wird nun ausgebaut.

Doch zurück zum Netzbauprojekt zwischen Pradella und La Punt, zu dessen Umsetzung Projektleiter Robert Widmer, einige Erklärungen gibt.

Robert Widmer

Grid Project Manager

Die Baubewilligung liegt vor. Was sind die nächsten Schritte?
Wir beginnen zunächst mit der Beschaffung der benötigten Materialien und Dienstleistungen. Die Lieferfristen für gewisse Materialien sind sehr lang, weshalb wir unter Zeitdruck stehen. Der benötigte Stahl für die Freileitungsmasten beispielsweise, der für Swissgrid bereits farbbeschichtet geliefert wird, hat eine Lieferzeit von 12 Monaten. Die Grundlagen für die Beschaffung haben wir deshalb bereits im Dezember 2019 erarbeitet. Denn: damit wir im Mai 2021 bauen können, müssen alle notwendigen Baumaterialien Mitte April auf Platz sein. Es ist sehr wichtig, dass wir die Beschaffung gründlich und konform durchführen und die Qualität der gelieferten Materialien stimmt.

Der Bau selbst erfolgt dann in zwei Etappen. Wir beginnen, wie bereits erwähnt, im Mai 2021 mit dem Bau und der Verstärkung der Masten von Zernez bis La Punt. Im Mai 2022 folgt dann die zweite Etappe, bei dem die Masten des Abschnitts von Pradella bis Zernez gebaut und verstärkt werden. Der Bau der Mastfundamente wurde bereits zu einem früheren Zeitpunkt bewilligt und ist bereits abgeschlossen.

Die Freileitung ist 50 Kilometer lang. In welchen Dimensionen muss man sich das notwendige Material vorstellen, das von spezialisierten Unternehmen verbaut wird?
Das zu beschaffende Material ist enorm: wir sprechen von 5005 Tonnen Stahl, 670 Kilometer Leiter- und Erdseilen sowie über 3200 Isolatoren. Dann braucht es auch spezialisierte Montage-Unternehmen, die den Bau ausführen. Wir werden für beide Etappen mit fünf verschiedenen Firmen zusammenarbeiten. Diese arbeiten dann parallel an verschiedenen Maststandorten.

Wie viele Spezialisten sind an einem solchen Bau beteiligt?
Jede Montage-Firma beschäftigt 20-25 Mitarbeitende auf der Baustelle. Das heisst, es werden über 100 Personen für das ganze Projekt vor Ort sein. Selbstverständlich bin auch ich als Projektleiter regelmässig auf Platz zusammen mit der örtlichen Bauleitung von Swissgrid. Diese ist jeden Tag auf den Baustellen anwesend. Das ist sehr wichtig, da sie die ganze Koordinationsarbeit übernimmt und die technischen Fragen beantwortet, die sich während dem Bau immer wieder neu ergeben.

Jetzt können im Engadin 1100 Freileitungsmasten entfernt werden

Wie viel kostet dieses Projekt?
Das Projekt kostet 75 Millionen Franken. Darin enthalten sind der Bau der Mastfundamente, der Freileitung aber auch die Ersatzmassnahmen: So finanziert Swissgrid den Ersatz der 60-Kilovolt-Freileitung zwischen Pradella und Bever mit einer 110-Kilovolt-Erdkabel mit. Diese Leitung wurde bereits in den Boden verlegt. Jetzt können im Engadin 1100 Freileitungsmasten entfernt werden. Die Landschaft wird so massiv entlastet.

50 Masten werden nicht nur verstärkt, sondern ersetzt. Wie baut man diese Masten mit einer Höhe von bis zu 70 Metern?
Die Ausleger werden am Boden von zwei Mitarbeitern bereits vormontiert und dann mithilfe eines Montageturms hochgezogen. Am Masten sind in der Regel fünf Freileitungsmonteure, welche die Teile direkt am Masten verschrauben. Die Spezialisierten verfügen über eine Kletter-Ausbildung und die entsprechende Ausrüstung und sind natürlich zu jeder Zeit gesichert, denn bei Swissgrid hat Sicherheit oberste Priorität. Bei einigen Masten wird es auch zu Helikoptereinsätzen kommen, da sie in sehr steilem und fast unzugänglichem Gelände stehen. Grundsätzlich versuchen wir aber soweit es geht auf den Einsatz von Helikoptern zu verzichten.

Der Bau der Mastfundamente wurde bereits zu einem früheren Zeitpunkt bewilligt, so dass an diesen bereits gearbeitet werden konnte.

Netzstabilität und die Versorgungssicherheit haben Priorität

Welche Herausforderungen muss Swissgrid noch beim Bau der Leitung Pradella – La Punt beachten?
Da wir an den bestehenden Masten bauen oder gar Masten ersetzen, müssen wir die Leitung ausser Betrieb nehmen. Das muss mit den europäischen Übertragungsnetzbetreibern lange im Voraus gut abgesprochen sein, denn die Netzstabilität und die Versorgungssicherheit haben Priorität. Wir wissen heute schon, dass wir während beider Etappen die Bauarbeiten im August pausieren müssen, weil die Ausserbetriebnahme in dieser Zeit für die Gewährleistung der Netzstabilität zu riskant wäre. Das ist nicht weiter schlimm, da wir genügend sonstige Arbeiten erledigen müssen, die nicht an der Leitung direkt stattfinden.

Die Versorgungssicherheit wird dank dem Projekt erhöht. Inwiefern und warum?
Die Leitung zwischen La Punt und Zernez trägt zum jetzigen Zeitpunkt jeweils nur eine Leitung, da zum Zeitpunkt des Baus in den 1960er Jahren der Transportbedarf geringer war als heute. Nun wird die Leitung durchgehend mit einer zweiten 380-Kilovolt-Leitung ergänzt. Damit können wir viel mehr Strom transportieren, die Versorgungssicherheit des Kantons Graubündens sowie den Abtransport der Engadiner Wasserkraft gewährleisten.

Wann wird die Leitung nach aktuellem Planungsstand in Betrieb genommen?
Die Inbetriebnahme der Höchstspannungsleitung ist für Ende Oktober 2022 geplant.



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Autorin

Stephanie Bos
Stephanie Bos

Communication Manager


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