Die Hintergründe der hohen Strompreise

Im Gespräch: Thomas Weber, Senior Energy Economist bei Axpo

Autor: Kaspar Haffner


Im Verlauf des letzten Jahres sind die Strompreise drastisch angestiegen und erreichten Ende 2021 ein rekordhohes Niveau. Die eidgenössische Elektritätskommission ElCom sprach Ende Februar von einem «historischen einmaligen Preisanstieg». Im folgenden Interview mit Thomas Weber, Senior Energy Economist bei Axpo, gehen wir den Gründen dieser Entwicklung nach und versuchen, einen Blick in die Zukunft zu werfen.

Michael Frank
Thomas Weber

Senior Energy Economist bei Axpo

Was waren die Auslöser für diese Entwicklung?
Thomas Weber: Ab Sommer 2021 sind einige Entwicklungen zusammengekommen. Kohle wurde teurer, als China aufgrund des starken post-Corona Wirtschaftsaufschwungs und der eigenen Abbaubeschränkungen mehr importiert hat. Beim Gas waren die europäischen Speicher im April 2021 zu rund 30% gefüllt, gut zehn Prozentpunkte unter Vorjahr, wenn auch höher als etwa in 2018. Im Sommer wurden die Speicher dann weniger als sonst gefüllt, vor allem die von Gazprom. Mutmasslich haben jedoch auch andere Akteure aufgrund der bereits anziehenden Preise zugewartet mit dem Auffüllen, so dass Europa mit einem vergleichsweise tiefen Gasbestand in den Herbst gegangen ist, als die geopolitischen Spannungen zugenommen haben. Parallel zu all dem liessen Erwartungen an eine strengere Klimaregulierung in Europa den CO2-Preis stark ansteigen, was den Strompreis noch zusätzlich steigen liess. Im Jahr 2022 wirken bei hoher Volatilität der eher milde Winter preisdämpfend, die geopolitische Situation preiserhöhend. Spätestens seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine und der robusten westlichen Sanktionen dominiert die Geopolitik.

Inwiefern war diese Entwicklung vorhersehbar?
Manchmal besteht die Tendenz, genau die eingetretene Entwicklung rückblickend als einzig mögliche darzustellen. Der (Gas-)Markt als Ganzes hatte letzten Sommer die aktuelle Lage definitiv so nicht eingepreist. Insofern hat die Entwicklung im Winter die Mehrheit überrascht, und ich behaupte: die aktuelle Eskalation in der Ukraine kommt für die allermeisten überraschend. Von den Faktoren, die den Preis bestimmen, hätte man wahrscheinlich die zunehmende Klimaregulierung am ehesten antizipieren können.

«Die Volatilität bleibt voraussichtlich hoch.»

Thomas Weber, Axpo

 
Wie entwickelt sich die Situation an den Märkten weiter?
Vor dem Hintergrund der laufenden Ereignisse sind Prognosen aktuell sehr schwierig. Ausnahme ist die Volatilität, die voraussichtlich hoch bleiben wird. Überragendes Thema ist die Situation in der Ukraine und wie sich das Verhältnis von Europa zu Russland verändert. Russland liefert 40% des in der EU verbrauchten Gases sowie nennenswert Öl und Kohle nach Europa. Hier sollte man in Szenarien denken – beim zukünftigen Verhältnis zu Russland erscheinen sehr unterschiedliche Szenarien möglich.

Welches sind die wichtigsten Treiber für die Preise auf den Strommärkten?
Kurzfristig die Preise für Kohle, Gas und CO2. Langfristig die Geschwindigkeit des Zubaus von Wind und Photovoltaik sowie die Entwicklung der Nachfrage. Aktuell dominiert die Unsicherheit auf den kurzfristigen Faktoren den Markt.

«Die Preise auf dem Terminmarkt sind gestiegen.»

Thomas Weber, Axpo

 
Müssen wir nun langfristig mit hohen Preisen rechnen?
In Deutschland und der Schweiz sind die Preise auf dem Terminmarkt für Lieferungen zwischen 2025 und 2030 auf über 80 EUR/MWh gestiegen. Vor einem Jahr lagen sie noch unter 50 EUR/MWh. Der Markt erwartet Stand heute also ein dauerhaft höheres Preisniveau. Als strukturellen Faktor kann man hier die Erwartungen einer strengeren CO2-Regulierung nennen. Interessant ist aber, dass die höheren Langfristpreise kein gesamteuropäisches Phänomen sind. In Spanien und den nordeuropäischen Märkten zum Beispiel wird das langfristige Preisniveau deutlich tiefer erwartet, bei unter 40 EUR/MWh. In Spanien liegt der Grund in einem hohen erwartetem Solarausbau, in den nordischen Ländern die gute Versorgungssituation mit Hydro-, Wind und auch Kernenergie. Beide Regionen haben nur begrenzte Leitungskapazitäten nach Mitteleuropa. Hier wird nicht zuletzt die Entwicklung der Übertragungsnetzkapazitäten Einfluss darauf haben, ob es bei dieser Spreizung bleibt oder ob doch wieder eine Konvergenz einsetzt.


Autor

Kaspar Haffner

Communication Manager


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