Unser Blut und der Strom haben etwas gemeinsam: Sie brauchen Energie, um durch die Blutbahnen oder das Stromsystem zu zirkulieren. Beim Blut ist dies der Blutdruck, beim Strom die Spannung. Ist der Blutdruck zu hoch, kann dies unsere Blutgefässe und das Herz schädigen. Ist er zu tief, fühlen wir uns schwach, schwindelig und im Extremfall werden wir ohnmächtig. Die Ohnmacht, oder besser gesagt, der Ausfall droht auch dem Stromsystem, wenn die Spannung zu niedrig ist. Ähnlich wie der Blutdruck, treibt die Spannung die Elektronen durch das Netz. Ist die Spannung zu hoch, kann das elektrische Schaltanlagen beschädigen. Ist sie zu niedrig, führt das zu Fehlfunktionen im Netz.

Die elektrische Spannung ist daher für Swissgrid ein wichtiges Signal über den Zustand des Netzes und wird ständig überwacht. Sinkt die Spannung, muss Blindleistung in das Netzwerk eingespeist werden. Ist die Spannung zu hoch, muss Leistung aus dem Netz genommen werden, um die Netzstabilität zu sichern. Dies geschieht zum Beispiel durch gezielte Schaltungen, mit denen die Leistung auf andere Leitungen mit freier Kapazität umgeleitet wird. Was im Stromnetz zu viel oder zu wenig Spannung auslöst und wie genau die Fachleute von Swissgrid dies im Alltag des Netzbetriebs verhindern, erklärt Markus Imhof, Head of Team System Operations System Management.

Im Gespräch

Markus Imhof

Head of Balancing & Scheduling bei Swissgrid

Was passiert, wenn die Spannung plötzlich sinkt oder steigt?

Wir betreiben unser Höchstspannungsnetz zwischen 220 kV und 245 kV respektive zwischen 390 kV und 420 kV. Wenn die Spannung zu hoch wird, dann reicht die Isolationsdistanz – also die Grösse der Isolatoren – nicht mehr aus und es kommt zu einem Überschlag. Dieser Überschlag kann unsere Anlagen beschädigen oder im schlimmsten Fall zu Personenschäden führen. Es kann auch zu einer Kettenreaktion kommen, wo viele unserer Leitungen gleichzeitig ausfallen und dies zu einem Blackout führt.

Wenn die Spannung zu tief ist, dann kann das zu einen Spannungskollaps führen. Der Spannungskollaps kann lokal begrenzt sein, er kann aber auch über Regionen hinweg passieren und so zu einem Versorgungsunterbruch führen.

Wie überwacht Swissgrid die Spannung in ihrem Netz?

Wir haben zwei Leitstellen, eine in Aarau und eine in Prilly. In diesen Leitstellen wird die Einhaltung der Spannungsgrenzen jederzeit durch unsere Spezialisten überwacht. Wir nehmen unser Leitsystem zur Hilfe, wo wir die Spannungswerte von allen 151 Unterwerken sehen. Wenn die Spannung zu hoch oder zu tief wird, werden wir alarmiert und prüfen welche Massnahmen wir ergreifen müssen.

Wie stellt Swissgrid sicher, dass die Spannung innerhalb der akzeptablen Grenzwerte bleibt?

Die Spannungshaltung in der Schweiz ist durch das Spannungshaltungskonzept geregelt. In der Schweiz sind die Kraftwerke der Spannungshaltung verpflichtet. Das bedeutet, dass sie Blindleistung ins Netz einspeisen oder ausspeisen müssen.

Was ist Blindleistung?

Blindleistung ist eine Form von elektrischer Leistung, die zwar durch unsere Leitungen fliesst, aber keine direkte Arbeit verrichtet – man kann damit also keine LED’s zum Leuchten bringen oder Akkus laden. Trotzdem ist sie notwendig, um gewisse elektrische Geräte überhaupt betreiben zu können, etwa Motoren oder Transformatoren. Zu viel Blindleistung kann das Stromnetz aber belasten. Deshalb wird sie ständig überwacht und wenn nötig durch gezielte Massnahmen kompensiert, damit das Netz effizient und stabil bleibt.

Wer ist verantwortlich für die Kompensation der Blindleistung?

Das ist unter anderem Aufgabe der Kraftwerke, sie erhalten für die richtig produzierte Blindenergie eine Entschädigung. Damit die Kraftwerke wissen, wie sie die Spannung richtig einstellen sollen, berechnet Swissgrid sogenannte optimale Spannungswerte. Diese basieren auf einem Optimierungsverfahren namens Optimal Power Flow. Damit wird gleichzeitig der Stromverlust im Netz möglichst geringgehalten und die Kosten für Blindleistung minimiert.

Swissgrid übermittelt den berechneten Spannungsplan an die Kraftwerke. Diese passen ihre Spannung an, indem sie je nach Bedarf mehr oder weniger Blindleistung mit dem Übertragungsnetz austauschen.

Reicht die Blindleistung der Kraftwerke nicht aus, kann Swissgrid zusätzliche sogenannte Phasenschieber einsetzen. Dabei wird ein Generator im Kraftwerk wie ein Motor betrieben – er erzeugt dabei keine elektrische Energie, kann aber gezielt Blindleistung einspeisen oder aufnehmen. So hilft er mit, die Spannung im Netz stabil zu halten.

Spannungsverlauf während 24 Stunden – UW Innertkirchen (220 kV)
Spannungsverlauf während 24 Stunden – UW Robbia (380 kV)
Spannungsverlauf während 24 Stunden – UW Innertkirchen (220 kV)
1/2: Spannungsverlauf während 24 Stunden – UW Innertkirchen (220 kV)
Spannungsverlauf während 24 Stunden – UW Robbia (380 kV)
2/2: Spannungsverlauf während 24 Stunden – UW Robbia (380 kV)

Haben die Verteilnetze einen Einfluss auf die Spannungshaltung?

Ja die Verteilnetze, also die Stromnetze jener Firmen, welche den Strom zu den Haushalten und Unternehmen verteilen, haben einen grossen Einfluss auf die Spannungshaltung. Die Verteilnetze tauschen grosse Summen von Blindenergie mit dem Übertragungsnetz aus. Sie können ihren Blindleistungsaustausch nur schlecht bis gar nicht steuern. Der Grund, wieso sie so viel Blindenergie mit dem Übertragungsnetz austauschen, sind ihre Kabelnetze. Ein Kabelnetz produziert viel mehr Blindleistung als ein Freileitungsnetz. Wenn die Verteilnetze diese Blindleistung nicht in ihrem Netz kompensieren können, wird diese Blindleistung ins Übertragungsnetz transportiert. Dies kann dann bei uns zu hohen Spannungen führen, auch zu Spannungsverletzungen.

Ein Kabelnetz produziert viel mehr Blindleistung als ein Freileitungsnetz.

Markus Imhof

Vor welchen aktuellen und zukünftigen Herausforderungen steht Swissgrid in Bezug auf die Spannungserhaltung?

Es gibt mehrere Herausforderungen in der Spannungshaltung. Durch die stetige Verkabelung der Verteilnetze entsteht mehr Blindleistung. Wenn diese nicht im Verteilnetz kompensiert wird, führt dies bei uns zu hohen Spannungen und wir müssen diese Blindleistung durch die Kraftwerke kompensieren. Auch die steigende Verkabelung in unserem Netz erzeugt mehr Blindleistung, welche wir kompensieren müssen. Mit der steigenden Installation von erneuerbaren Energien, insbesondere PV, sinkt die Last im Verteil- sowie im Übertragungsnetz. Leerlaufende oder schwachbelastete Leitungen produzieren viel Blindleistung. Dies hat zur Folge, dass die Spannung ansteigt. Es wird immer herausfordernder, dass die Kraftwerke genügend Blindleistung absorbieren können. Darum baut Swissgrid Kompensationsanlagen, damit in der Schweiz auch zukünftig genügend Blindleistungsressourcen zur Verfügung stehen.

Das Übertragungsnetz von Swissgrid gehört zu den sichersten und zuverlässigsten der Welt, und es wird alles getan, damit das auch so bleibt – auch im Bereich der Spannungshaltung.


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Spannungshaltung


Autorin

Marie-Claude Debons
Marie-Claude Debons

Senior Communication Manager


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