
Der Stromausfall in Spanien und Portugal hat viele Fragen aufgeworfen – auch zur Stromversorgung in der Schweiz. Welche Auswirkungen hatte der Stromausfall auf die Schweiz? Wie funktioniert das Stromnetz? Swissgrid, Betreiberin des Schweizer Übertragungsnetzes, beantwortet die wichtigsten Fragen – verständlich erklärt für alle, die mehr über die Sicherheit und Funktionsweise unseres Stromsystems wissen möchten.
Der Stromausfall in Spanien hatte keinen Einfluss auf das Schweizer Übertragungsnetz. Trotzdem brachte das Ereignis viele Fragen auf. Wir fassen die wichtigsten zusammen und erklären danach die Begriffe, die oft verwendet wurden – aber selten erklärt werden.
Was geschah in der Schweiz?
Zwar wurden in der Schweiz leichte Frequenzschwankungen gemessen, die Versorgungssicherheit war jedoch jederzeit gewährleistet. Swissgrid musste keine eigenen stabilisierenden Massnahmen ergreifen, bot aber den Netzbetreibern der betroffenen Ländern Hilfe an. Konkret konnte Swissgrid helfen, die Schwankungen im französischen Stromnetz auszugleichen, die aufgrund des Ausfalls entstanden sind.
Wie funktioniert das Stromsystem der Schweiz?
Das Stromsystem der Schweiz sorgt dafür, dass jederzeit und überall in der Schweiz Strom zur Verfügung steht. Dafür ist es wichtig, dass immer genau so viel Strom produziert wird, wie gerade verbraucht wird. Dieses Gleichgewicht zwischen Produktion und Verbrauch wird rund um die Uhr von Fachleuten überwacht.
Das Schweizer Stromnetz ist in sieben verschiedene Ebenen unterteilt, die den Strom von den Kraftwerken bis zu den Haushalten transportieren. Zuerst wird der Strom mit Höchstspannung über grosse Entfernungen transportiert (Übertragungsnetz von Swissgrid). Auf dem Weg zu den Haushalten oder der Industrie (Verteilnetz) wird die Spannung in mehreren Schritten verringert, damit der Strom sicher genutzt werden kann.
Swissgrid, als nationale Netzgesellschaft und Betreiberin des Übertragungsnetzes, überwacht das Stromsystem ständig und sorgt dafür, dass die Frequenz immer stabil bei 50 Hertz bleibt. Wenn es kleine Abweichungen gibt – zum Beispiel weil plötzlich mehr Strom gebraucht wird als geplant – gleicht Swissgrid diese sofort aus. Grössere Störungen sind sehr selten, weil das Netz ständig überwacht und gesteuert wird und weil es über den ganzen Kontinent eng vernetzt ist – das bring zusätzliche Stabilität.
Wie sicher ist das Schweizer Stromnetz?
Ein flächendeckender, stundenlanger Stromausfall ist in der Schweiz ein sehr unwahrscheinliches Szenario. Die Schweiz verfügt über eines der stabilsten Übertragungsnetze der Welt, dank einer robusten Netzinfrastruktur, umfassender Überwachungs- und Schutzsysteme sowie einer engen Vernetzung mit dem europäischen Stromnetz. Dennoch sind die Fachleute auf verschiedene Szenarien vorbereitet, sie können in Ausnahmesituationen schnell handeln. Das Netz wird jederzeit n-1-sicher betrieben, das heisst, es funktioniert sicher, selbst wenn ein Element wie eine Leitung oder ein Transformator ausfällt.
Damit das Übertragungsnetz den künftigen Anforderungen gerecht wird, muss es weiterentwickelt werden.
Was heisst ein «stabiles» Netz?
Strom kann nicht im Netz gespeichert werden, deshalb müssen Produktion und Verbrauch immer genau ausgeglichen sein. Swissgrid überwacht in der Schweiz rund um die Uhr dieses Gleichgewicht. Kommt es zu Schwankungen, kann die Netzfrequenz sinken oder steigen. Swissgrid greift ein und bezieht, bei Bedarf, Unterstützung von den Übertragungsnetzbetreibern der Nachbarländer.
Die Schweiz verfügt über eines der stabilsten Übertragungsnetze der Welt, dank einer robusten Netzinfrastruktur, umfassender Überwachungs- und Schutzsysteme sowie einer engen Vernetzung mit dem europäischen Stromnetz.
Wie ist die Schweiz im europäischen Stromnetz eingebunden?
Die Schweiz ist Teil des europäischen Verbundnetzes. Das bedeutet, dass die Stromsysteme der europäischen Länder miteinander verbunden sind. Dadurch kann Strom grenzüberschreitend ausgetauscht werden, was die Versorgungssicherheit erhöht.
Die Schweiz liegt in der Mitte des europäischen Verbundnetzes und spielte bereits bei dessen Entstehung eine tragende Rolle: 1958 werden mit der Schaltanlage «Stern von Laufenburg» im aargauischen Fricktal die Übertragungsnetze Deutschlands, Frankreichs und der Schweiz zusammengeschaltet. Heute ist das Schweizer Übertragungsnetz an 41 Stellen mit dem Ausland verbunden, am meisten in Europa.
Warum braucht es ein europäisches Stromnetz?
Strom kennt keine Landesgrenzen und sucht sich immer den Weg des geringsten Widerstands. Physikalisch steht die Schweiz deshalb in stetigem Stromaustausch mit den Nachbarländern. Das macht eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit unabdingbar.
Ausfälle und andere Störungen können in einer grossen Gemeinschaft leichter bewältigt werden. Unser Stromnetz ist Teil des europäischen Verbundnetzes (des europäischen Stromsystems). Wenn irgendwo in Europa kurzfristig weniger Strom zur Verfügung steht, können andere Länder aushelfen. So werden Schwankungen oder Ausfälle schneller ausgeglichen. Diese enge Zusammenarbeit macht das Stromnetz in der Schweiz stabiler und sicherer.
Wie sieht es in Zukunft aus?
Die internationale Zusammenarbeit wird immer wichtiger. Nicht alle Engpässe lassen sich allein durch Massnahmen in der Schweiz beheben – besonders wenn sie an der Grenze oder in Grenznähe auftreten. In solchen Fällen arbeitet Swissgrid mit benachbarten Übertragungsnetzbetreibern zusammen.
Das Stromabkommen integriert die Schweiz in den europäischen Strombinnenmarkt. Es gewährleistet langfristig den sicheren und stabilen Betrieb des Schweizer Übertragungsnetzes im europäischen Verbundnetz.
Was sind die wichtigsten Begriffe im Stromnetz?
Stromnetz | Ein Netzwerk aus Leitungen und Anlagen zur Übertragung und Verteilung elektrischer Energie. In der Schweiz gibt es sieben Netzebenen. |
Übertragungsnetz | Das Übertragungsnetz (Netzebene 1) transportiert grosse Mengen Strom über weite Strecken mit sehr hoher Spannung. Das Höchstspannungsnetz ist das Rückgrat einer sicheren Stromversorgung. Es ist vergleichbar mit einer Autobahn für Strom. Swissgrid ist Eigentümerin des Schweizer Übertragungsnetzes. Ihr über 6700 Kilometer langes Netz transportiert die elektrische Energie mit 380 und 220 Kilovolt Spannung. |
Verteilnetz | Die Verteilnetze (Netzebene 2-7) bringen den Strom von den Unterwerken zu den Haushalten. Dazu muss die Spannung um das 1000-fache (von bspw. 220 000 Volt auf 230 Volt) reduziert werden. Das geschieht über mehrere Stufen beziehungsweise unterschiedliche Netzebenen. |
Verbundnetz | Der Zusammenschluss mehrerer Stromnetze über Ländergrenzen hinweg zur gegenseitigen Unterstützung. Das Verbundnetz in Europa transportiert Strom für über 500 Millionen Menschen in über 30 Ländern. Die Schweiz liegt geographisch im Herzen dieser riesigen Maschine und ist mit 41 Grenzleitungen eng damit verbunden. Damit dies möglich ist, muss die Schweiz eng mit den europäischen Partnern zusammenarbeiten. |
Spannung | Spannung ist der «Antrieb» für den elektrischen Strom. Sie sorgt dafür, dass sich die Elektronen im Stromkreis bewegen und somit Strom fliesst. Sie gibt an, wie viel Energie notwendig ist, um Elektronen zu bewegen. In der Schweiz sowie Europa beträgt die Spannung meist 230 Volt bei Steckdosen. Stellt man sich vor, dass Strom wie Wasser durch ein Rohr fliesst, entspräche die Spannung dem Druck auf der Wasserleitung. |
Stromstärke | Die Menge an elektrischer Ladung, die pro Sekunde durch einen Leiter fliesst. Gemessen wird das in Ampere. Stellt man sich vor, dass Strom wie Wasser durch ein Rohr fliesst, entspräche die Stromstärke der Menge Wasser, die pro Sekunde durch das Rohr fliesst. |
Netzstabilität | Strom kann im Übertragungsnetz nicht gespeichert werden, somit müssen die Stromeinspeisung und die -ausspeisung immer gleich hoch sein. Dies bedeutet, dass die Produktion und der Verbrauch von Energie stets im Gleichgewicht sein müssen. |
Regelenergie | Bei unvorhergesehenen Schwankungen setzen die Specialists System Operations in den Netzleitstellen Regelenergie ein. Regelenergie ist eine Reserve, die bestimmte Kraftwerke für den kurzfristigen Gebrauch bereithalten und die bei Bedarf abgerufen werden kann. Der Ausgleich zwischen Produktion und Verbrauch wird im europäischen Verbundnetz hat drei Stufen:
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Netzfrequenz | Das Schweizer Übertragungsnetz wird mit einer Frequenz von 50 Hertz betrieben, wie das europäische Verbundnetz. Das bedeutet, dass der Strom im Wechselstromnetz 50 Mal pro Sekunde seine Richtung ändert. Damit die Frequenz immer stabil bleibt, muss das Gleichgewicht zwischen Produktion und Verbrauch elektrischer Leistung immer gegeben sein. Swissgrid stellt mit den anderen Übertragungsnetzbetreibern sicher, dass die Frequenz im Verbundnetz jederzeit eingehalten werden kann. |
Blackout | Ein grossflächiger Stromausfall kann durch eine Verkettung mehrerer Faktoren ausgelöst werden. Dazu zählen extreme Wetterereignisse, technische Fehler oder Instabilitäten im europäischen Verbundnetz. Einzelne Ereignisse werden jedoch in der Regel zuverlässig durch die Schutzmechanismen des Systems aufgefangen. |
Schwarzstart | Notverfahren zum Wiederanfahren eines Kraftwerks nach einem Stromausfall |
Netzwiederaufbau | Nach einem Stromausfall starten schwarzstartfähige Kraftwerke wie Pumpspeicherwerke. Sie bauen ohne Spannung von aussen kleine Inselnetze auf, stabilisieren Frequenz und Spannung und speisen erste Verbraucher. Schritt für Schritt werden weitere Kraftwerke und Netze zugeschaltet. Swissgrid steuert und überwacht diesen komplexen Prozess präzise, um die Stromversorgung schnell, sicher und koordiniert wiederherzustellen. |