Die Entwicklung der Swissgrid Tarife

Autorin: Stephanie Bos


Swissgrid verantwortet als nationale Netzgesellschaft und Eigentümerin des Schweizer Übertragungsnetzes dessen Infrastruktur sowie den Betrieb und die Sicherheit der Anlagen. Für diese Leistungen fallen Kosten an, die durch die Stromkonsumentinnen und Stromkonsumenten getragen werden. Um die Kosten zu decken, darf Swissgrid verschiedene Tarife erheben: Tarife für die Netznutzung, einen Tarif für die allgemeinen Systemdienstleistungen und für individuelle Systemdienstleistungen. Die Struktur der Tarife ist vom Stromversorgungsgesetz und von der Stromversorgungsverordnung vorgegeben.

Swissgrid publiziert ihre Tarife jeweils im März für das kommende Jahr. In den letzten zehn Jahren fielen diese mal tiefer, mal höher aus als in den Vorjahren. Welche Tarife hier besonders schwankten, welche hingehen eher konstant blieben und wie diese Entwicklungen zu erklären sind, erläutert Andreas Schreiber, Head of Economics & Contracts bei Swissgrid im Interview.

Andreas Schreiber
Andreas Schreiber

Head of Economics & Contracts bei Swissgrid


Swissgrid existiert seit dem Inkrafttreten des Stromversorgungsgesetzes 2009. Wie wurde damals mit den Tarifen verfahren?

Die Swissgrid Tarife gibt es tatsächlich bereits, seit das Unternehmen offiziell gegründet wurde. Die Tarifberechnung wurde damals innerhalb kürzester Zeit von Null an aufgebaut. Die Bestandteile der Tarife und ihre Verrechnung sind in der Stromversorgungsverordnung festgehalten und wurden anschliessend im Branchendokument Netznutzungsmodell Übertragungsnetz (NNMÜ) weiter spezifiziert. Es gab keine Start-Up- oder Übergangsphase. Die Kalkulation musste von Anfang an korrekt und verlässlich sein.

Das ist nun bereits 14 Jahre her, haben sich die formellen Vorgaben zur Tarifberechnung seither verändert?

Es gab verschiedene kleinere Anpassungen, insbesondere um einige Tarife effizienter zu gestalten und damit die Kosten für die Stromkonsumentinnen und -konsumenten so gering wie möglich zu halten. Swissgrid arbeitet aber dennoch seit damals mit denselben gesetzlich vorgegebenen Tarifen. Für das Tarifjahr 2024 ist nun das erste Mal ein neuer Tarif hinzugekommen: Der Tarif für die Stromreserven. Der Bundesrat hat verschiedene Massnahmen beschlossen, um die Versorgungslage der Schweiz insbesondere im Winter zu verbessern. Dazu zählen die Wasserkraftreserve, der Netzanschluss des Reservekraftwerks in Birr sowie der Einsatz von Notstromgruppen. Diese Massnahmen verursachen Kosten, die von Swissgrid nicht beeinflussbar sind, aber über den neuen Stromreservetarif via Swissgrid verrechnet werden. Mit der operativen Abwicklung der Wasserkraftreserve und den Notstromgruppen übernimmt Swissgrid Aufgaben, die über ihren ursprünglichen gesetzlichen Auftrag hinausgehen.

«Zu jeder Sekunde muss gleich viel Energie ins Netz eingespiesen werden, wie verbraucht wird, damit die Frequenz immer 50 Hertz beträgt.»

Andreas Schreiber, Swissgrid

 
Der Stromreservetarif treibt die Belastung für die Konsumentinnen und Konsumenten in die Höhe. Für das Tarifjahr 2024 gibt aber noch weitere solche Tarife. Um welche handelt es sich, wie haben sich diese in den letzten Jahren entwickelt?

Der Allgemeine Tarif für Systemdienstleistung ist für das Tarifjahr 2024 nochmals deutlich gestiegen. Auch in den letzten zehn Jahren schlug er mal nach oben, mal nach unten aus. Der Tarif deckt, wie der Name schon verrät, die Kosten für die Systemdienstleistungen – insbesondere Regelleistung. Swissgrid benötigt diese, um die Frequenz bei Schwankungen stabilisieren zu können. Das führe ich gerne noch weiter aus: Eine wichtige Voraussetzung für den sicheren Betrieb des Übertragungsnetzes ist das permanente Gleichgewicht von Stromproduktion und -verbrauch. Zu jeder Sekunde muss gleich viel Energie ins Netz eingespiesen werden, wie verbraucht wird, damit die Frequenz immer 50 Hertz beträgt. Bei unvorhergesehenen Schwankungen setzt Swissgrid Regelenergie ein: Sie beauftragt Kraftwerke, ihre Produktion zu erhöhen oder zu senken. Damit diese Reserve jederzeit zur Verfügung steht, beauftragt Swissgrid die Kraftwerke mit deren Vorhaltung. Das bedeutet, dass die Kraftwerke die entsprechende Energie nicht anderweitig verkaufen können, sondern die Leistung für Swissgrid reservieren. Jeder Anbieter orientiert sich daher daran, was ihn diese Reservierung kostet bzw. wieviel er am Strommarkt ansonsten erlösen könnte. Die Preise sind entsprechend von den Grosshandelspreisen abhängig.

Ein weiterer Tarif, der für 2024 ebenfalls deutlich ansteigt, ist der individuelle Systemdienstleistungstarif für Wirkverluste. Dieser war auch in den vergangenen Jahren regelmässig Schwankungen unterworfen. Der Grund: Der individuelle Tarif für Wirkleistung wird zu 90 Prozent von den Strompreisen getrieben. Beim Stromtransport geht Strom in Form von Wärme verloren. Diese «verlorene» Energie nennt man Wirkverluste. Swissgrid muss diese Wirkverluste im Schweizer Höchstspannungsnetz ausgleichen und kauft hierfür Strom per Ausschreibungen von Stromhändlern oder kurzfristig auf dem Spotmarkt. Beide Beschaffungsoptionen sind von den Grosshandelspreisen abhängig.

Seit 2021 und über das ganze Jahr 2022 sind die Strompreise gestiegen. Die Verwerfungen auf dem Energiemarkt liessen die Preise auf eine noch nie dagewesene Höhe wachsen. Deshalb ist der allgemeine Tarif für Systemdienstleistungen sowie der individuelle Tarif für Wirkverluste für die Tarifjahre 2023 und 2024 gestiegen.

«Die Swissgrid Spezialistinnen und Spezialisten arbeiten stetig daran, weitere Verbesserungen möglich zu machen, um die Beschaffungskosten möglichst gering zu halten.»

Andreas Schreiber, Swissgrid

 
Gibt es für Swissgrid keine Möglichkeiten, auf diese beiden Tarife Einfluss zu nehmen?

Auf den Strompreis kann Swissgrid als nationale Netzgesellschaft keinen Einfluss nehmen. Wie bereits erläutert, ist die Schweiz hier vom europäischen Grosshandelsmarkt abhängig und dieser wiederum ist von internationalen Ereignissen getrieben. Wir haben aber verschiedene Massnahmen ergriffen, um die Tarife von Swissgrid in beschränktem Ausmass zu beeinflussen.

Für die Systemdienstleistungen haben wir marktbasierte Beschaffungsmechanismen eingeführt. Die benötigten Produkte haben wir ständig weiterentwickelt, damit es möglichst viel Wettbewerb gibt und auch neuen Anbietern der Markteintritt möglich ist. Der Mechanismus hat bereits Wirkung gezeigt, denn der Beschaffungsaufwand ist in den vergangenen Jahren teilweise deutlich zurück gegangen. Doch diese Verbesserungen konnten nicht verhindern, dass sich im aktuell stark gestiegenen Preisumfeld auf dem Energiemarkt auch die Kosten für die Systemdienstleistungen erhöhten.

Auch für die Wirkverluste hat Swissgrid eine Beschaffungsstrategie entwickelt, um der Volatilität der Strompreise entgegenzuwirken. Basierend auf den historischen Werten definiert Swissgrid ihren Mindestbedarf für die Kompensation der Wirkverluste. Diese Menge wird dann mit verschiedenen Marktprodukten und mit unterschiedlichen Zeithorizonten (Jahr, Quartal, Monat oder Spotprodukte) beschafft. Die Beschaffung eines Jahres startet ca. zwei Jahre zuvor und endet im Intraday. Dies ist der Zeitpunkt, währenddem die Menge für jede Stunde nochmals 60 Minuten vor Lieferung justiert werden kann. Dank dieser Strategie ist Swissgrid den kurzfristigen Fluktuationen der Preise weniger ausgesetzt und kennt zum Zeitpunkt der Tarifkalkulation anfangs Jahr einen Grossteil, also etwa 60 bis 75%, ihrer Kosten zur Kompensation der Wirkverluste für das laufende Jahr. Dies erlaubt eine genauere Tariffixierung, verringert allfällige Deckungsdifferenzen und sollte den Tarifen mehr Stabilität geben.

Grundsätzlich ist aber die Optimierung der von Swissgrid beschafften Systemdienstleistungen ein fortwährender Prozess. Die Swissgrid Spezialistinnen und Spezialisten arbeiten stetig daran, weitere Verbesserungen möglich zu machen, um die Beschaffungskosten möglichst gering zu halten.

«Swissgrid engagiert sich konsequent für eine möglichst tiefe finanzielle Belastung der Stromkonsumentinnen und -konsumenten.»

Andreas Schreiber, Swissgrid

 
Gibt es auch Swissgrid Tarife, die in den vergangenen Jahren eher konstant blieben?

Ja, die gibt es. Der Arbeitstarif der Sparte Netznutzung zeigte sich in den letzten 10 Jahren als wenig volatiler Tarif. Er bewegte sich seit 2013 zwischen 0,16 Rp./kWh (2013) und 0,27 Rp./kWh (2023). Gegenüber 2023 bleibt der Arbeitstarif im Jahr 2024 unverändert. Der Arbeitstarif ist ein Bestandteil des Netznutzungstarifs und deckt das Kerngeschäft von Swissgrid ab: Den Ausbau, die Instandhaltung und den Betrieb des Schweizer Übertragungsnetz. Schwankungen gibt es bei regulatorischen Sondereffekten oder durch Änderungen bei der Verwendung von Auktionserlösen. Auktionserlöse sind Einnahmen, die Swissgrid durch die Auktion von Netzkapazitäten für den grenzüberschreitenden Handel erzielt. Diese Auktionserlöse werden zur Senkung der Kosten verwendet und sind nicht immer gleich hoch. Die Eidgenössische Elektrizitätskommission ElCom entscheidet jedes Jahr, wie Swissgrid diese Erlöse einsetzen darf. Sie werden entweder dafür verwendet, die Tarife zu senken oder um langfristige Investitionen zu finanzieren. Für das Jahr 2024 hat die Elcom entschieden, dass Swissgrid die gesamten Auktionserlöse tarifsenkend einsetzen kann. In den vergangenen Jahren wurde meist nur ein kleiner Anteil der Erlöse zur unmittelbaren Senkung der Tarife verwendet.

Wie schätzt du zukünftige Entwicklungen der Swissgrid Tarife ein?

Eine Prognose über die zukünftige Tarifentwicklung zu formulieren, ist sehr schwierig. Die Tarifentwicklung in den nächsten Jahren ist mit vielen Unwägbarkeiten verbunden. Wir können nicht vorhersehen, wie sich die Preise auf dem Strommarkt weiterentwickeln. Da gibt es zu viele unbekannte Faktoren, die darauf Einfluss nehmen können. Ich bin aber überzeugt, dass Swissgrid auch weiterhin ihr Kerngeschäft gewissenhaft erledigen und damit für stabile Netznutzungstarife sorgen wird. Auch wenn wir bei den allgemeinen Systemdienstleistungen und der Beschaffung der Wirkverluste den Preisentwicklungen am Strommarkt ausgeliefert sind, werden wir weiter alles daransetzen, unsere Produkte und unsere Beschaffung zu optimieren. Denn Swissgrid engagiert sich konsequent für eine möglichst tiefe finanzielle Belastung der Stromkonsumentinnen und -konsumenten.


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