Na, was zwitschert denn da?

Höchstspannungsleitungen und Vögel

Autorin: Sandra Bläuer

Eine Leitung im Übertragungsnetz der Schweiz besteht elektrisch gesehen aus drei Phasen, welche den Strom transportieren. Jede Phase besteht aus einem oder mehreren Leiterseilen – sogenannten Bündelleitern. Leiterseile sind aus Aluminium und weisen einen Durchmesser von 2,8 bis 3,6 Zentimeter auf. Von Mastspitze zu Mastspitze verläuft das Erdseil. Es ist dünner als die Leiterseile, dient der Erdung und somit dem Schutz vor direkten Blitzeinschlägen.

Wie gefährlich sind Höchstspannungsleitungen für Vögel?

Freileitungen verursachen bei vielen Arten nur einen kleinen Teil der unfallbedingten Todesfälle, bei anderen aber einen entscheidend grossen. Diverse Studien zeigen auf, dass grundsätzlich verschiedene Vogelarten von Unfällen an Freileitungen betroffen sein können, allerdings in unterschiedlichem Ausmass. Wir schauen uns zwei Gefahrenpotentiale genauer an:

Stromschläge: Die Sterblichkeit (wiss. «Mortalität») bei Vögeln aufgrund von Stromschlag ist bei Höchstspannungsleitungen (220 / 380 kV) vergleichsweise gering. Dies liegt daran, dass bei Übertragungsleitungen die Leiterseile unterschiedlicher Phasen einen grossen Abstand voneinander haben. Fliegt ein Vogel zwischen den Leiterseilen durch, reicht seine Flügelspannweite nicht aus, um einen Kurzschluss auszulösen. Der Vogel bekommt also keinen Stromschlag. Doch je tiefer die Spannungsebene, desto höher die Gefahr dafür, weil der Abstand zwischen den Leitern geringer ist. Pro 1000 Volt muss ein Sicherheitsabstand von 1 Zentimeter eingehalten werden. Bei einer 220 000-Volt-Leitung beträgt der Abstand zwischen den Drähten, zum Mast, zum Boden oder auch zu Bäumen deshalb mindestens 2,2 Meter. Bei einer 380 000-Volt-Leitung sind es 3,8 Meter. Ist der Abstand zu klein, besteht die Gefahr eines sogenannten Lichtbogens. Der Strom überträgt sich durch die Luft – wie bei einem Blitz.

Kollision: Die Kollisionsgefahr hängt primär vom Standort der Übertragungsleitung ab. Überlappen Leitungsabschnitte mit den Lebensräumen und der Raumnutzung möglicherweise betroffener Vogelarten, steigt die Kollisionsgefahr. Die meisten Kollisionen passieren am Erdseil. Es ist wesentlich dünner als die Leiterseile und daher am schlechtesten sichtbar. Wenn Vögel den Leiterseilen im letzten Moment nach oben ausweichen, stellt das Erdseil eine Gefahr dar. Dank des Einsatzes von Bündelleitern und einem dickeren Erdseil können Kollisionen reduziert werden. Bei erhöhter Kollisionsgefahr, z.B. bei Flussquerungen oder in naturnahen Lebensräumen, setzt Swissgrid sogenannte schwarz-weisse Leitermarkierungen als effektive Schutzmassnahme ein.

Die Sterblichkeit der allermeisten Vogelarten ist im ersten Lebensjahr generell sehr gross. Um Populationen stabil zu halten, müssen durchschnittlich etwa 33 Prozent der Alt- und Jungvögel bis zur nächsten Brutsaison überleben. Werfen wir einen Blick ins Engadin, wo zahlreiche Vögel ihr Zuhause haben. Gemäss dem Umweltverträglichkeitsbericht im Rahmen des Ausbaus der Höchstspannungsleitung zwischen Pradella und La Punt beträgt der Anteil der Todesfälle, bedingt durch die Leitung, ca. 3 Prozent des Gesamtbestandes aller Vögel am Ende der Brutsaison. Dieser Wert erscheint auf den ersten Blick als nicht besonders hoch.

Safety first

Dennoch können die Verluste für seltene oder gefährdete und grosse Arten mit grosser Flügelspannweite von Bedeutung sein. Mit zunehmender Grösse einer Vogelart nimmt die Anzahl Bruten pro Jahr und die Zahl der Nachkommen pro Brut ab. Der Strom- oder Kollisionstod eines Uhus wiegt demnach deutlich schwerer als der eines Bergfinks oder einer Amsel. Swissgrid nimmt ihre Verantwortung mit verschiedenen Massnahmen zum Schutz der Vögel wahr:

  • Bei jedem Netzprojekt prüft Swissgrid sowohl Freileitungs- als auch Verkabelungsvarianten. Für neue Freileitungen wählt Swissgrid eine Linienführung, die hochsensible Gebiete wie beispielweise die Wasser- und Zugvogelreservate von nationaler Bedeutung so weit wie möglich umgeht. Auch die (Teil-)Verkabelung von Leitungen wird von Swissgrid bei konkreten Projekten geprüft.
  • Die Abstände zwischen Auslegern, auf denen sich Vögel niederlassen, und unter Spannung stehenden Elementen müssen so berechnet sein, dass keine Erd- oder Kurzschlüsse auftreten.
  • Sofern es die örtlichen Gegebenheiten erfordern, können auf den Tragwerken (Masten) Vorkehrungen zum Vermeiden von Erd- und Kurzschlüssen getroffen werden. Beispielsweise durch die Montage von Isolationselementen, von kontrastreichen Leitermarkierungen oder von sogenannten «Vogelbesen».
  • Die Hauptmasse der Zugvögel fliegt den Alpen entlang. Ein hohes Gefährdungspotential ergibt sich bei quer zur Talrichtung verlaufenden Leitungen. Weitere sensible Gebiete sind Querungen beispielweise von Flüssen und Seen. In Gebieten mit sensiblen Lebensräumen, mit Vorkommen National prioritärer Arten oder mit Vogelzugrouten plant und erstellt Swissgrid Leitungen so, dass das Kollisionsrisiko möglichst gering ist.
  • Bei der Realisierung achtet Swissgrid darauf, dass die Arbeiten für den Leitungsbau in den heiklen Bereichen möglichst auf einen passenden Zeitraum konzentriert werden. Dadurch werden Störungen, insbesondere durch Helikopterflüge, während der Brutphase vermieden.

«Das BAFU begrüsst das Engagement von Swissgrid, Vogelschutzmassnahmen an Freileitungen umzusetzen. Dank lokalen Massnahmen zur Reduktion der Stromschlag- und Kollisionsgefahr nimmt Swissgrid ihre Verantwortung für eine sichere Stromversorgung und im Bereich des Artenschutzes wahr.»

Bundesamt für Umwelt (BAFU)
Sogenannte Vogelbesen werden bei Bedarf oberhalb des Auslegers angebracht.
1/4: Sogenannte Vogelbesen werden bei Bedarf oberhalb des Auslegers angebracht. Sie verhindern, dass sich ein Vogel über den Isolatoren hinsetzt und diese mit Kot beschmutzt, was im schlimmsten Fall einen Kurzschluss auslösen und zum Tod des Vogels führen könnte. Gleichzeitig verursachen sie auch unerwünschte Reaktionen bei Vögeln (z.B. Ausweichmanöver) und bergen eine Verletzungsgefahr. Sie sollten deshalb nur in Ausnahmefällen und nur dort zum Einsatz kommen, wo keine wirksameren Alternativen bestehen.
Schwarz-weisse Leitermarkierungen dienen als effektive Schutzmassnahme um Kollisionen zu verhindern. (Quelle 50 Hertz)
2/4: Schwarz-weisse Leitermarkierungen dienen als effektive Schutzmassnahme um Kollisionen zu verhindern. (Quelle 50 Hertz)
Schwarz-weisse Leitermarkierungen dienen als effektive Schutzmassnahme um Kollisionen zu verhindern.
3/4: Schwarz-weisse Leitermarkierungen dienen als effektive Schutzmassnahme um Kollisionen zu verhindern.
Schwarz-weisse Leitermarkierungen dienen als effektive Schutzmassnahme um Kollisionen zu verhindern.
4/4: Schwarz-weisse Leitermarkierungen dienen als effektive Schutzmassnahme um Kollisionen zu verhindern.

Ausserdem gibt es Projekte, bei denen Initianten gemeinsam mit Swissgrid Nistkästen für besonders bedrohte Vogelarten realisiert haben. So zum Beispiel Nistkästen für Dohlen oder Turmfalken. Klingt spannend? Lesen Sie hier den Blogbeitrag dazu: Das Höchstspannungsnetz kriegt Vögel

Und falls Sie sich nun fragen: Könnte also auch ein Mensch auf einer Höchstspannungsleitung sitzen, ohne verletzt zu werden? Ja, solange er genügend Abstand zu den anderen Leiterseilen, zum Mast, zum Boden oder zu allen anderen leitenden Dingen hat. Trotzdem sollten wir Menschen den Stromleitungen fernbleiben – Auch beim Ausüben von Sportarten in luftiger Höhe. Alle Informationen zum eigenen Schutz und dem korrekten Verhalten in Leitungsnähe finden Sie hier: Verhalten in Leitungsnähe


Autorin

Sandra Bläuer
Sandra Bläuer

Communication Manager


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